Preisforschung verbindet man in erster Linie mit der Ermittlung von Zahlungsbereitschaften und somit auch mit der Festlegung des gewinnmaximalen Preises. In der klassischen Preistheorie wird davon ausgegangen, dass Kunden vollkommene Information über die Preise haben, eine klare Präferenzstruktur vorliegt und sie sich rational verhalten, um ihren Nutzen zu maximieren. Dies ist aber in der Realität nicht der Fall, denn oftmals weichen Kunden von den Annahmen der klassischen Preistheorie ab, wie an den nachfolgenden Beispielen deutlich wird:
- Sie informieren sich nur bedingt über Preise
- Sie können sich nicht exakt an frühere Preise erinnern
- Sie werden von der Darstellung der Preise und der Platzierung der Produkte beeinflusst
- Sie ziehen unterschiedliche Kriterien wie z.B. das Image eines Herstellers zur Preisbeurteilung heran.
Als Ergänzung zur klassischen Preistheorie berücksichtigt das Behavioral Pricing daher auch emotionale, psychologische und kognitive Faktoren im Entscheidungsverhalten des Kunden. Erkenntnisse hierfür liefert die verhaltenswissenschaftliche Preisforschung.
Themenbereiche der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung
Die verhaltenswissenschaftliche Preisforschung deckt alle Phasen des Kaufprozesses ab – von der Aufnahme von Preisinformationen, über die Beurteilung von Preisen, die Speicherung von Preisinformationen bis hin zum tatsächlichen Kaufverhalten. Interessante Fragestellungen sind z.B. die folgenden:
Preisinformationsaufnahme
- Welche Faktoren beeinflussen die Intensität der Preissuche?
- Wie viele Alternativen werden berücksichtigt?
- Werden Produkte innerhalb eines Geschäfts/einer Marke verglichen oder auch zwischen Geschäften/Marken?
Preisinformationsbeurteilung
- Was muss ein Produkt mindestens und was darf es höchstens kosten?
- Wie groß muss der Unterschied zwischen zwei Preisen sein, damit ein Effekt bemerkbar ist?
- Wie wirken sich gebrochene Preise (19,99 € vs. 20,00 €) auf das Preisurteil aus?
- Welche internen und externen Referenzpreise ziehen Kunden zum Vergleich heran?
- Wie können Referenzpreise beeinflusst werden?
- Inwiefern wirkt der Preis als Indikator für Produktqualität?
- Wie wirken sich unterschiedliche Preis- und Rabattdarstellungen auf das Preisurteil aus?
- Inwiefern beeinflusst der Kontext das Preisfairnessurteil (z.B. im Kiosk vs. Restaurant)?
Preisinformationsspeicherung
- Wie exakt ist das implizite und explizite Preiswissen ausgeprägt?
- Welche Faktoren beeinflussen das Preiswissen?
Kauf- und Konsumverhalten
- Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Zahlungsmodalitäten auf die Kaufbereitschaft (Kartenzahlung vs. Barzahlung, zeitliches Auseinanderfallen von Bezahlung und Konsum, Abo-Modelle)?
- Welchen Effekt hat eine Preisbündelung?
Die Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung nutzen
Einige Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung sind allgemeingültig, andere sind für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung ggf. spezifisch ausgeprägt. Lernen Sie Ihre (potenziellen) Kunden kennen und verstehen Sie den Kaufprozess von der Informationssuche bis hin zum tatsächlichen Kauf. Wie können Sie Ihren Kunden den Kaufprozess oder die Kaufentscheidung erleichtern? Sind Ihre Kunden eher Schnäppchenjäger oder Gewohnheitskäufer? Achten sie eher auf Qualität oder sind sie preissensibel? Welche Zielgruppen lassen sich innerhalb Ihrer Kunden identifizieren und wie unterscheiden sich diese in Ihrem Kaufverhalten? Stellen Sie die richtigen Fragen und kombinieren Sie diese mit Modellen der klassischen Preisforschung wie Van Westendorp oder Conjoint-Analysen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
Fazit: Behavioral Pricing als Ergänzung zur klassischen Preisforschung
Ein fundiertes Preismanagement sollte sich nicht nur an der blanken Zahlung orientieren, sondern einen Fokus auf den Kunden im Kaufprozess setzen. Die verhaltenswissenschaftliche Preisforschung kann hier als Ergänzung zur klassischen Preisforschung gesehen werden und Ihnen helfen, Ihre Kunden besser zu verstehen.
Referenzprojekt zum Nachlesen
Erfahren Sie mehr zur Conjoint-Analyse in unserer Case Study ,,Durchführung einer Conjoint-Analyse für einen Automobilhersteller“.
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